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Yogaausbildung Erfahrungsbericht VI

Die längste Phase am Stück der Ausbildung bei Spirit Yoga Berlin liegt hinter mir. 7 intensive Tage mit Morgenpraxis um 7:30, Theorie bis ca. 17:00 und Internetverzicht sind es gewesen. Da kommt ganz schön Text zusammen, deswegen habe ich den Inhalt in die Themen der Morgenpraxis unterteilt.

Inhalt

Rückenfokus: An dem Tag starteten wir mit einer Klasse für Menschen mit Rückenproblemen und behandelten Aufbau und Umsetzung einer solchen Klasse anschließend theoretisch. Als Beschwerdefreier ließ mich die Praxis ziemlich entspannen und erschwerte eher, den Elan den Tag über zu halten. Den Abschluss bildeten einige Vorträge von uns zu selbst ausgesuchten Themen. Ich sprach mit Vivian über Ashtanga Yoga und den Nutzen für unsere Praxis als Schüler*innen und Lehrer*innen im Spirit Yoga.

Erde: Die Klasse im Element Erde zeichnete sich durch viel Bodenkontakt, längeres, stabiles Stehen in den Asanas und Geradlinigkeit im Aufbau aus. Theoretisch haben wir uns mit der Ausgewogenheit von Yin und Yang in der Yogapraxis und im Leben allgemein beschäftigt. Zum Abschluss hatten wir eine zweite Runde zu Meditation mit Bernd Bender. Die Begegnungen mit ihm sind immer wieder eine Wohltat.

Wasser: Anders als die ersten beiden Tage unterrichtete uns heute Stine. Die Meditation vorab klang sehr interessant. Ich habe sie leider verpasst. Props an die Deutsche Bahn. Die Praxis danach zeichnete sich durch viel fließen und kreisende Bewegungen aus. Außerdem war sie sehr emotionsgeladen und holte verschiedene Bilder hoch. Bei einigen nicht nur angenehme. An dem Tag waren immer mal wieder ein paar Schluchzer zu vernehmen. Im Anschluss hatten wir mit Stine einige Übungen zum Aufbau der eigenen Präsenz und zur Improvisation mit Asanas. In dem Feld hätte ich gerne mehr Zeit verbracht. Am Ende gab es wieder einige Vorträge.

Feuer: Die Klasse wurde von Jo unterrichtet und startete mit einer bewegten Meditation. Durch Konfrontation und innere Hitze soll alter Mist verbrannt werden. Reinigung durch Anstrengung. Hier hab ich mich wirklich Zuhause gefühlt. Wer nach so einer Klasse noch behaupten würde, dass Yoga nicht anstrengend sein kann, muss schon mächtig fit sein oder hart in seinen Dogmen festhängen. Theoretisch gings aus organisatorischen Gründern mit der Theorie zu restorativem Yoga weiter. Eigentlich ein ganz witziger Bruch. Zum Ausklang gab es wieder Vorträge.

Luft: Ab hier hat wieder Patricia übernommen. Die Asanas wurden entspannter und der Fokus wanderte hin zu einem Leichtigkeit gebenden, tiefen, vollen Atem. Hier hatte ich die größten Schwierigkeiten. Tief zu Atmen empfinde ich als deutlich leichter, wenn die Asanas danach verlangen. So verlor ich immer mal kurz den Fokus. Im Anschluss kamen abermals Vorträge und wir sprachen über die Gestaltung der Prüfungsgruppen. Zum Abschluss kam Micha Erbe mit vierbeiniger Begleitung und arbeitete sich mit uns im Schnelldurchlauf durch das Sequencing einer Yogastunde. Selten so ein gutes Zeitmanagement erlebt.

Restorative Yoga: Haufenweise Decken und Kissen und keinerlei Anspannung. Das beschreibt diese Variante wohl ganz gut. Mit kleinen Wehwehchen weiß ich es zu schätzen. Aber nach 120 min Dahinschmelzen kommt man sich vor wie Sonntagmorgen, wenn nach einer langen Nacht jemand unerwartet früh vor der Tür steht und man am liebsten direkt mit Decke öffnet. Danach kam Mathias Tietke und stellte quasi sein Buch Yoga kontovers vor. Ich fand es ganz angenehm mal anders über Yoga zu reden. Zum Abschluss gabs aufgrund von Zeitproblemen noch letzte Vorträge und etwas mehr Hintergrund zum Restorativyoga.

Umkehrhaltungen/Armbalancen: Hier habe ich meinen Favoriten erwartet. Eine Klassemit Jo voller Experimentierfreude und Austoben. Tatsächlich waren die Einführungen in die einzelnen Asanas eher losgelöst vom Flow und der Yogaraum wurde zur Spielwiese mit viel verbalem Austausch. Auf jeden Fall ist das gut und berechtigt, mir liegt eine weniger extrovertierte Herangehensweise allerdings mehr. Die Variante hatte ich in der Feuerklasse. Außerdem hatte Patricia zwischendurch irgendwann beiläufig etwas von Unterarmstand zu Brücke erwähnt. In meiner eigenen Praxis hatte ich seit dem in Vorfreude fast immer Unterarmstand geübt. Wir sind in der Stunde allerdings nur die Basics durchgegangen. Aber so ist das mit den Erwartungen. Theoretisch hat uns Jo danach kurz etwas über die Feuerklasse erzählt, uns nochmal gezielter an Hands-on rangeführt und uns eine kleine Einführung in das Nutzen von Musik in einer Yogastunde gegeben.

Challenge

Im letzten Blog hatte ich es bereits angekündigt und auch bei Facebook eine Abwesenheitsnotiz hinterlassen. Manche haben es auch persönlich gehört. Wir sollten für eine Woche freiwillig auf ein Laster oder eine Gewohnheit verzichten. Das Internet für diese Zeit zu ignorieren, trifft da gleich diverse Punkte auf einen Schlag. Facebook, Fernsehen, Youtube, Google, Nachrichten, WhatsApp… Ganz ehrlich, ich war froh den größten Teil der Zeit mit der Ausbildung beschäftigt zu sein. Es blieb also eigentlich nur der Abend und die Zugfahrt.

Was hat sich also für mich positiv geändert? Ich habe öfter mit Leuten telefoniert und war noch weniger Zuhause als sonst. Eigentlich ganz angenehm soziale Kontakte ausschließlich ganz analog zu erfahren. Ich blieb eine Woche lang von dem ganzen Nonsens verschont, der immer wieder mal bei Facebook auftaucht oder sich via WhatsApp in den Kopf schleicht. SMS schreiben die Leute nämlich nur, wenn ihre Mitteilung auch wirklich relevant ist und nicht aus Langeweile. Da ich nichts Besseres zu tun hatte, hab ich etwas mehr gelesen und bin einfach schlafen gegangen, wenn ich müde und alles andere erledigt war.

Was gab es so an unangenehmen Erlebnissen? Ohne Witz gab es zwischendurch den Moment, dass ich essend Zuhause auf meinem Couchtisch saß, aus dem Fenster guckte und nicht wusste, was ich sonst beim Essen machen soll. Die Zerstreuung, die Fernsehen nach einem anstrengenden Tag (und das waren sie alle) bringt, habe ich schon vermisst. Aber das war auch wirklich das Einzige. Gut, ich hatte kurz vorm offline Gehen noch etwas gepostet und fand es den ersten Tag doof, die Reaktionen nicht mitzubekommen. Aber das verflog recht schnell.

Gab es auch mal Momente zum Schmunzeln? Oh ja. Am letzten Tag haben wir uns noch alle in einem privaten Garten getroffen, uns ausgetauscht, lecker gegessen und die Woche ausklingen lassen. Wir (Edyta, Vanessa und ich) sind zwei Stationen mit der S-Bahn hin und von da aus sollte der Garten vielleicht 5min entfernt sein. Aber in welche Richtung? Ein typischer Moment für Google Maps. Ein Telefon streikte und ich hatte ja noch den Tag Verzicht. Aber man weiß sich ja zu helfen. Also oldschool Leute fragen… Ja scheiße, in Berlin wohnen nur noch Zugezogene. So einfach geht das nicht zurück in die heile Welt von damals. Weder auf die Frau mit Hund noch den netten Langhaarigen im Schokoladenladen war Verlass. Zum Glück hatten wir nicht alle Internetverzicht. Wer weiß, wo wir sonst gelandet wären.

Lektion

Die Lektion ist groß und amüsant. Die bewegte Meditation der Feuerklasse brachte mich schon beim Hören von Jos Erläuterungen zum Schmunzeln. In einem Gespräch hatte nämlich ein Freund (keine Namen) die Auswirkungen dieser Meditation mit dem Einwerfen von MDMA verglichen. Keine Ahnung, wie sich das anfühlt, aber seine Schilderungen klangen sehr spannend und besonders nachdem am Tag davor schon so viele weinen mussten und ich mir das bis dahin kaum vorstellen konnte, musste die folgende Erfahrung einfach krass werden. Für alles gewappnet ließ ich mich darauf ein und es passierte absolut nichts. Willkommen im Reich der Erwartungen.

Empfehlung

Es wäre wahrscheinlich naheliegend das Rumprobieren mit Verzicht zu empfehlen. Ich möchte euch lieber anregen, euch etwas zu suchen, das in eurem Alltag zu kurz kommt, und das als Routine jeden Morgen einzuführen. Sei es das Lesen eines Buches, das Aufräumen der Wohnung, Musizieren oder eben etwas Bewegung. So ist das erste Gefühl nach der morgendlichen Schläfrigkeit direkt etwas Produktives getan zu haben und ihr startet immer mit einer optimistischeren Stimmung in den Tag.

Kleine Anekdote

In dem Vortrag zum Sequencing einer Yogastunde diente ich Micha die meiste Zeit als Vorzeigedummy. Er erklärte im Schnelldurchlauf und ich führte im selben Tempo aus. Spätestens in einer Sequenz mit dem stehendem Halbmond aus dem Kalten entwickelte sich wohl ein kleines Spiel, wann ich denn nicht mehr mitkomme und kapituliere. Irgendwann fand ich mich dann im Handstand wieder. Seine zwischen meinen Unterschenkeln eingeklemmte Hand hielt mich im Gleichgewicht, während er mit der anderen gestikulierend irgendwas erklärte, als wäre das Stehen kein bisschen anstrengend und ganz selbstverständlich. Ich hörte nur Handstandliegestütz und dann war es auch schon vorbei mit meiner Kraft. Hab mir das aber zu Herzen genommen und mache seit Anfang des Monats jeden Tag 11 Handstandliegestütz. Beim nächsten Spiel bin ich vorbereitet.

Das Bild ist nach einer Yogastunde mit Ellen im Freundschaftstempel im Park Sanssouci entstanden.

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