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Wie man den Spaß am Training verliert

Ob auf der Yogamatte, beim Joggen im Park oder beim Personal Training, immer wieder trifft man Menschen, die mit aller Kraft daran arbeiten, den Spaß am Training zu verlieren. Der ganzen Mühe zum Trotz huscht diesen Menschen doch gelegentlich ein Lächeln über das Gesicht. Das mag daran liegen, dass wir Menschen sind und uns Bewegung von Natur aus glücklich macht. Aber jeder weiß, dass Erfolg von harter Arbeit kommt und die sollte keinen Spaß machen. Hast du so oder anders bestimmt schon zu hören bekommen: „Solange du noch lachen kannst, strengst du dich nicht genug an.“.

Für all die verlorenen Seelen da draußen, die es noch nicht geschafft haben, die Strapazen des täglichen Trainings hinter sich zu lassen und endlich auszubrennen, folgt hier eine Einführung in die Kunst des freudlosen Trainings. Nur so findest du den Weg zurück auf die Couch. Das ist doch der Erfolg, den du gesucht hast oder? Endlich genug geackert zu haben, um nicht mehr ackern zu müssen. Mein Beweis der Eingeweihtheit in die geheime Kunst? Ich habe alle Folgen Game of Thrones, Suits und Peaky Blinders gesehen.

Fokus statt Ablenkungen

Egal ob selbstgeschrieben oder von einem professionellen Trainer, du brauchst einen Plan. Deine Ziele müssen klar gesteckt sein (dazu später mehr) und du solltest sie nie aus den Augen verlieren. Vermeide den Moment. Alles was zählt ist, wer du sein wirst, wenn du mal angekommen bist. Denke an die Zukunft zumindest solange du jung bist. Sollte dein Peak schon hinter dir liegen, halte an dem fest, was mal war. Du merkst, entscheidend ist nicht das Hier und Heute, sondern dieser eine Moment, die eine Sekunde, in der du sagen kannst, ich habe es geschafft. Der Rest des Lebens besteht aus ich werde es schaffen und ich hatte es geschafft.

Lass dich auf deinem Weg nicht ablenken. Vermeide zu viel Gemeinschaft. Alltägliches, Gespräche oder gar Spiel verringern nur die Zeit, die du mit effizientem Training verbringen könntest. Sehe dein Training als gesetzt und plane alles andere drumherum. Nicht immer wird es gelingen, weil das Leben eben keine Planwirtschaft ist, aber das schlechte Gefühl am Ende eines missglückten Trainings wird dich schon anspornen. Es ist zwar Konsens, dass Schuld und Scham als Erziehungsmethode Kindern die Seele gefrieren lässt, aber du bist erwachsen. Dein Feuer wird ja wohl stark genug sein oder wolltest du etwa Spaß haben?

Fortschritt muss messbar sein

Wie sollst du sonst wissen, dass du dich genug anstrengst? Jeden Tag eine bessere Version von sich selbst werden, lässt sich nur durch strenge Bewertung erreichen. Vielleicht misst du die Liegestütz, die du gemacht hast, die Strecke, die du gelaufen bist, oder die Kalorien, die du verbrannt hast. Steigerung ist Wachstum und ob du auf dem richtigen Weg bist, offenbaren dir die Messdaten. Das Intuition als Maßstab nicht funktioniert, zeigen uns die gescheiterten, zwischenmenschlichen Beziehungen, die wir alle vorzuweisen haben. Vertrauen in sich ist gut, Kontrolle ist besser oder wie bist du da gelandet, wo du jetzt weg willst?

Noch etwas Gutes hat die Messbarkeit. Sie erfordert Struktur und die verhindert zu viel Freiraum. Hast du Leistungssportler schon mal spielen sehen, vielleicht sogar ein Spiel ohne Gewinner und Verlierer? Wahrscheinlich nicht. Wer etwas erreichen will, lässt sich nicht ablenken und kontrolliert kompromisslos seine Leistung. Klar, das Laufen hast du als Baby noch ganz spielerisch gelernt. Aber das Lernen alle früher oder später und wenn sie coole Eltern haben, empfinden sie sogar Spaß dabei. Aber Leistungsdruck ist für die wenigen Besonderen, die keinen Spaß verstehen.

Wer nicht nach den Sternen greift…

…macht alles falsch. Es ist wichtig bei der Wahl der Ziele groß zu denken. Du fängst gerade mit dem Joggen an? Melde dich schon mal für einen Marathon an. Druck macht bekanntlich den Unterschied zwischen Kohle und Diamant. Klar, der Diamant kann nichts außer hart sein und Eindruck schinden, während Kohle in den eisigsten Zeiten wohlige Wärme spendet, aber weiter im Text.

Wenn du beim Anblick deines Ziels nicht vor Ehrfurcht erstarrst, kann das durchforsten der Erfolge anderer auf Instagram neue Inspiration schaffen. Du beginnst gerade mit Yoga und deine Zehenspitzen sind (wie bei mir damals) in weiter Ferne? Dann sollte, den eigenen Hintern in der Vorbeuge bewundern zu können, das Mindeste sein, was du erreichen willst. Du kannst keinen sauberen Liegestütz? Lern Muscle-Ups! Umso schwächlicher der Start, umso größer müssen die Ziele und Erwartungen sein. Oder glaubst du ernsthaft, dass dich kleine Erfolge und Spaß am Training aufholen lassen? Na also, wir verstehen uns. Alles unter Weltherrschaft ist nicht genug. Auf geht’s, Pinky!

Wie man sein ZNS zerstört

Vielleicht kennt ihr Yngwie Malmsteen, die Gitarre spielende Verkörperung der Exzentrik. Ihm wurde geraten, dass weniger mehr sei. Diese Bauernregel kennen wahrscheinlich die meisten. Dabei ist sie, wie er völlig richtig feststellt, Quatsch. Wie kann weniger mehr sein? Das ist unmöglich. Mehr ist mehr. Genau so funktioniert Training. Ausschließlich rational. Deswegen kriegen Menschen, die mit mir trainieren auch viel hilft viel und von nichts kommt nichts immer wieder mal zu hören.

Dein zentrales Nervensystem (ZNS) ist dein Feind. Erst durch seine Zerstörung machst du dir den Weg frei. In den unpassendsten Momenten droht es dich lahmzulegen. Du musst gegenhalten. Du bist müde, nicht gut drauf, wurdest gekündigt, hast wenig geschlafen und deine Familie ist ein Scherbenhaufen? Was hilft es dir, wenn du jetzt auch noch schwächelst oder gar pausierst? Du wirst merken, dass dein innerer Widerstand dem Training gegenüber mit jedem Aufraffen zunimmt und das ist gut, denn bekanntlich wächst der Mensch am Widerstand. Also erschaffe dir deinen Eigenen. Kämpfe mit dir.

Training als Allheilmittel

Training macht nicht nur stark und schön. Es ist auch die perfekte Projektionsfläche für deine ungelösten Alltagskonflikte. Hier ist der Ort an dem du alles auf einmal loswerden kannst. Wenn du erst dein anfangs beschriebenes ich habe geschafft erreicht hast, wird sich alles zum Besserern wenden. Du weißt es, kein Sixpack keine Frauen und kein Thigh Gap keine Liebe. Es geht um mehr als nur ein Workout zu absolvieren und die Freude an der Bewegung zu genießen. Es geht ums Ganze.

Du hast deinen Abgabetermin wieder nicht eingehalten? Trainiere härter, um künftige Erschöpfung zu vermeiden! Deine Liebe hast du schon zum dritten Mal nicht zum Kochen eingeladen? Trainiere mehr, dann läufst du ihr nicht so oft übern Weg oder hast endlich genug Bizeps, sodass alles von alleine kommt. Bei deinen Eltern zu sein, ist so stressig wie dein Job? Trainiere öfter! Resillienz bildet sich nicht von alleine. Wir alle haben unsere Zusatzgewichte. Es ist wichtig, sie mit zum Training zu schleppen. Sonst könnte der Weg dahin und das Training selbst eines Tages zu leicht sein. Außerdem müssten wir unsere Probleme dann entweder woanders hin projizieren oder da lösen, wo sie entstehen. Unser Zusatzgewicht würde wegfallen. Kann der Weg zum Paradies durch einen Garten führen? Nein!

Es ist erst hart genug, wenn dir schon das losgehen schwer fällt, und geschafft hast du es, wenn du gar nicht mehr aufstehst. Darum ging es doch oder? Den Drang nach Veränderung und Bewegung zu transzendieren. Endlich nicht müssen. Zufrieden sein. Befreiung durch naja ist schon ok. Du hast so hart gekämpft. Du hast es dir verdient. Bitte glaub das. Ich bin derweil draußen und erlebe das Kitzeln der Sonnenstrahlen oder Regentropfen auf meiner Nasenpitze während ich irgendwas mit Bewegung mache. Manch einer lernt es halt nie.

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