Vor einer Weile war ich für drei Wochen zusammen mit Ellen auf Rucksacktour durch Indien. Dies ist die erste Geschichte. Wir beide praktizieren Yoga und sind ausgebildete Lehrende. Ich war zu der Zeit gerade in meiner Ausbildung. Trotzdem waren wir nicht auf Yogareise, eher auf der Suche nach Abenteuer und wollten ein Gefühl für Indien bekommen. Ein Stück weit verstehen, in was für einem Land Yoga entstanden ist. Aber auch ohne aktive Suche nach Yoga, sind die Erwartungen groß.
Ankunft – Stimmung vor der Begegnung
Kurz und knapp. Wir landeten nachts in Mumbai. Schnappten uns ein Taxi zum Hotel und die Reise ging los. Das Taxi bezahlte ich versehentlich mit einem 100 Dollarschein, unserer Notreserve für den Krankheitsfall. Zum Glück war da eine ehrliche Haut am Taxistand. Das Hotelzimmer hatten wir für 3 Nächte vorab gebucht. Das war nötig fürs Visum, aber auch schon alles an getroffenen Vorkehrungen.
Also nachts im Taxi durch Mumbai. Den markanten Geruch sollte ich später wieder in Potsdam als Mischung aus Pisse, Smog und Räucherstäbchen beschreiben. Die ersten Eindrücke sind am Intensivsten. An uns vorbei rauschten Menschen die auf den Gehwegen schliefen, Schutt und Dreck. Ein Stück weit was wir erwarteten. Was soll ich sagen, das beschissenste Viertel war am Ende unser Startpunkt. Das „Wir sind da.“ war eine echte Überraschung. Unser Hotel lag in der vierten Etage eines unbeleuchteten, heruntergekommenen Hauses. Die Treppen voller Müll, der hin und wieder raschelte. Wir wollten ja Abenteuer, richtig?
Das Zimmer war am Ende tadellos. Die Etagen unter uns gehörten zu einer Näherei, in der Männer in Unterhemden rosa Tutus nähten. Der Müll war aufgeräumt und die Straßen so unfassbar wuselig. Berlin ist dagegen ein Kurort. Ein kurzes Bild davon könnt ihr hier erlangen. Also rein ins Getümmel. Sightseeing und Essen. Kilometer für Kilometer zu Fuß durch die Millionenmetropole. Der Selfiedrang der Inder und Essen, dass mich mehrere Kilo verlieren ließ, die ich gar nicht hatte, sind dabei Stories für sich.
Wie Yoga verbindet
Das erste Fleckchen Grün nach einigen Stunden in den Straßen Mumbais bei 30°+ kommt einem schnell vor wie eine Oase und dann gab es da auch noch einen Spielplatz. Als kleiner Bewegungsjunkie bin ich konstant auf der Suche nach Möglichkeiten, mich irgendwie austoben zu können. In Mumbai ist alles so gedrängt, dass es kaum Raum gab, rumzuturnen. Also erstmal ein paar Dips.
Wieder bei Ellen auf der angrenzenden Wiese chillend kam ein Mann mittleren Alters auf mich zu und zeigte mir ein zerfleddertes Buch, das er mit sich rumtrug. Ich kann mich nur erinnern, dass dort Asanas in mir beliebig erscheinender Reihenfolge vorkamen. Unsere Sprachbarriere lag leider bei 100%. Shirshasana (Kopfstand) war so ziemlich die einzige Vokabel, die wir teilten. Ich fing einfach irgendwann an, die Sachen, auf die er im Buch zeigte nachzumachen und im Gegenzug andere Varianten vorzumachen. Was für ein absurder Moment, nach Indien zu kommen und direkt am ersten Tag Asanas, die ich in Deutschland gelernt habe, weiterzugeben. Crazy kind of magic. Abgesehen von dieser Situation war Yoga erst wieder zwei Wochen später in Mysore für uns sichtbar. Also auch für Indien war das keine alltägliche Begegnung.
Yoga und der indische Weg
Natürlich kann ich von dieser einen Begegnung nicht auf irgendwas Allgemeines schließen. Trotzdem möchte ich meine Beobachtungen und Gedanken zu dieser Situation loswerden und wenn es nur ist, um die Bilder auszuschmücken. Es lohnt sich nicht, hier etwas auf die Goldwaage zu legen.
Im Nachhinein sprach ich ganz begeistert mit Ellen und fragte, warum sie nicht ins Rumprobieren eingestiegen ist. Mir ist bis zu ihrer Antwort nicht aufgefallen, dass er nur mit mir versucht hat zu kommunizieren. Die Beweggründe sind uns natürlich unklar. Vielleicht lag es daran, dass Yoga in Indien im Gegensatz zur westlichen Welt vermehrt von Männern praktiziert wird. Vielleicht lag es daran, dass Frauen für manche Inder son Ding sind. Wer weiß? Auf jeden Fall erscheint mir das Szenario umgedreht Zuhause absurd. Hier würde mich niemand nach dem Krafttraining auf Yoga ansprechen.
Das ist auch schon der nächste spannende Punkt. Ich denke, dass er durch meine paar Übungen an dem Barren auf mich aufmerksam geworden ist. In Indien hat Yoga mitunter eine ganz andere Bedeutung als hier. Das indische Militär praktiziert Yoga zur körperlichen Vorbereitung aufs Kämpfen und kürzlich bin ich auf eine ältere Schrift gestoßen, die gerade erst übersetzt wird, in der Seilklettern als Asana aufgeführt ist. Es scheint also einen Rahmen zu geben, in dem jede körperliche Ertüchtigung als Yoga verstanden wird. Die Situation in Mumbai bestätigt das ein bisschen.
Das lässt mich noch zu einem anderen Punkt kommen. Das Beitragsbild ist kein ungünstiger Schnappschuss, sondern spiegelt ganz gut die unterschiedliche Herangehensweise. Unsere Gesichtsausdrücke verraten einiges. Was da zu sehen ist, wurde in Paschimottanasana (der sitzenden Vorbeuge) am Deutlichsten. Während ich nach der Einatmung mit einer gewissen Sanftheit reingesunken bin, wirkte es bei ihm eher wie ein ruckartiges no pain no gain. Ob ich zu Wellness verwöhnt war oder er zu sehr im Kampf mit sich, will ich nicht bewerten. Viel schöner war für mich, zu sehen, wie verbindend Yoga in seiner Vielfältigkeit sein kann und was es von einander zu lernen gibt. Kommunikation geht eben nicht nur mit Händen und Füßen sondern manchmal auch in Asanas.